Wochengruß von Pastor Bernd Schreinicke von Clausewitz

Nachricht 04. November 2018

Vertrauen wagen

Mit Beginn der 5. Klasse wurde ich Fahrschüler und musste täglich mit dem Bus in die nächste Stadt fahren. Und am Mittag, nach Schulschluss, wieder zurück. 

Aber manchmal fielen Stunden aus. Auf den Bus warten, der erst nach der 6. Stunde fuhr, war mir zu langweilig. Also ging ich zu Fuß nach Haus. Für die 5 Kilometer brauchte ich ca. eine Stunde. 

Weil mein Heimweg an der Straße entlang führte, hielten manchmal Autos an, die mich mitnehmen wollten. 

„Du darfst niemals in ein Auto einsteigen, wenn du den Fahren nicht kennst!“, hatten mir meine Eltern eingeschärft. „Es gibt böse Menschen!“ 

Vertrau keinem Menschen, den du nicht kennst, war ihre Botschaft. 

So lehnte ich dankend ab, wenn mir ein Unbekannter einen Platz auf dem Beifahrersitz anbot und ging zu Fuß weiter. 

Vertrauen ist eine sehr begehrte Währung! 

Politiker werben vor Wahlen um das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler. 

Ärzte und Krankenschwestern sind auf das Vertrauen ihrer Patienten angewiesen. 

Lehrerinnen und Erziehern wird es von Kindern und Eltern entgegengebracht. 

Ohne Vertrauen funktioniert das Zusammenleben von Menschen nicht. 

Was aber ist eigentlich Vertrauen? 

„Vertrauen bezeichnet die subjektive Überzeugung von der Richtigkeit, Wahrheit von Handlungen, Einsichten und Aussagen bzw. der Redlichkeit von Personen.“, erklärt Wikipedia. 

Vertrauen ist also ein Beziehungsgeschehen zwischen Menschen: „Ich traue dir zu, dass du die Wahrheit sagst. Dass ich mich auf dich verlassen kann und du mir nicht schaden willst.“ 

Aber leider gibt es auch die Erfahrung von gebrochenem Vertrauen: da redet einer hinter meinem Rücken schlecht über mich. Da nutzt einer meine Arglosigkeit aus. Da will mich einer hintergehen und führt Böses im Schilde. 

Derartige Erfahrungen schmerzen – und sie fehlen in keinem Leben! 

Gebrochenes Vertrauen tut weh, manchmal viele Jahre lang. Und manchmal lässt es sich ein ganzes Lebens lang nicht mehr heilen. 

Wer vertraut, geht immer ein Risiko ein! 

Aber ich möchte mir nicht vorstellen, wie wir zusammenleben würden ohne Vertrauensrisiko. 

Keine Ehe könnte bestehen, keine Familie zusammenhalten, keine Freundschaft andauern. 

Noch einmal: Wer vertraut, geht immer ein Risiko ein. 

In einem Lied aus dem evangelischen Gesangbuch heißt es: „Vertrauen wagen dürfen wir getrost, denn du, Gott, bist mit uns, dass wir leben.“ 

Auch das Vertrauen in Gott ist riskant, ein Wagnis, eine Kühnheit – aber billiger, fürchte ich, ist der Glaube wohl nicht zu haben.

Pastor Bernd Schreinicke von Clausewitz, Nortrup